AUSSTELLUNG - RITTERSTRASSE - BERLIN - MÄRZ 2015

 

Incognito    

 

Das Werk ist stringent. 

Konsequent deckt es die Wirklichkeit zu. 

Die Arbeitsweise ist seriell, 

anonyme Individuen in Massen. 

Die Malstoffe sind unorthodox,  

Lacke, Tinkturen, tipp-ex. 

Das Werk ist konsequent, 

stringent prallen Realität und abstrakte Form

aufeinander, übereinander, nebeneinander. 

Mystisch, seltsam, diese verdeckte Gesellschaft. 

 

Wilhelm Beestermöller schickt uns in einen Irrgarten der Realität. Geheimnistragende Tableaus. Übermalte Fotos, die detektivisches Sehen provozieren. Klares Erkennen wird rigoros unterbunden. Identifikation ausgeschlossen. 

Im Zeitalter des Fotoshoppings, der digital manipulierbaren Bildveränderung, bedient er sich schlichter, reeller malerischer

Mittel, um Personen ihr Gesicht zu nehmen. Er malt es einfach zu, bedeckt es wie mit einem Leichentuch aus Farbe. Als sollte es sie nicht geben, verhüllt er die Gestalten in Anonymität. 

Das irritiert. Das hinterlässt ein frustriertes Suchen nach Anhaltspunkten und bringt die Orientierung ins Wanken. 

Es gibt kein offensichtliches Erkennen. 

Worum geht es hier eigentlich? Was wird hier verborgen? 

Die Menschen, oft ahnungslos auf der Strasse fotografiert, 

werden malerisch ihrer Identität beraubt. In der Masse der Serie verstärkt sich der Eindruck, dass sie auf künstlerische Art und Weise gleichgeschaltet werden und ebenso ausgeschaltet werden. Das Incognito - Individuum wird so nicht nur als einzelner ignoriert, das Individuum geht auch in der Masse unter. 

Das ist die eine Sicht. Die andere Sicht zeigt Respekt. 

Keiner wird hier bloßgestellt, ausgestellt, als voyeuristische Folie benutzt. In der Massengesellschaft hat jeder die Chance

hinter der Maske des Allgemeinen zu verschwinden. Anonymität als Freiheitsoption und Individualität als geschützter

privater Raum. Wilhelm Beestermöllers Kunst markiert Schutzzonen für den einzelnen, die Chance bei sich selbst bleiben zu dürfen. Ein Recht auf Intimität in einer Gesellschaft, die alles glaubt outen und kommunizieren zu müssen. 

Selbst den populären Bildikonen der Renaissance Malerei gibt Beestermöller  auf seine unverkennbare Art der malerischen Verdeckung eine neue Art der Würde der Person. Er beraubt sie ihrer tradierten Bedeutung, ihrer Ämter, ihrer Insignien der Macht. Aber er schenkt ihnen gleichzeitig neue Freiräume, andere Möglichkeiten wie man sie losgelöst von ihrer historischen Last betrachten könnte. 

 

Im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Privatheit und öffentlichem Engagement, entstand zuletzt ein umfangreicher Werkzyklus, der erstmals in Wilhelm Beestermöllers Werk konkreten politischen Bezug zur Gegenwart nimmt. 

Die überwiegend mit tipp-ex übermalten Fotos: Portaits, Landschaften, Industrieanlagen, Demonstrationen, variieren die individuellen Verhüllungsmöglichkeiten auf höchst konfrontative Art: 

Mönchskutte neben Sado-Maso Maske, Burka neben Sturmmaske. 

Die Arbeit zeigt die zwei Seiten in Beestermöllers Werk. Anonymität kann dem einzelnen Freiraum bewahren, gesellschaftlich gesehen sind die  Menschen jedoch aufgefordert Gesicht zu zeigen. 

 

Horst Brandenburg 

Arte TV

 

 

 

 

 

AUSSTELLUNG - KUNSTVEREIN SPEYER – 2016

 

Waldstücke

 

Wilhelm Beestermöller – Fotoübermalungen / Joseph Stefan Wurmer – Holzskulpturen

 

 

 

Der Wald. Kaum etwas ist so stark mit Emotionen unterschiedlichster, ja gegensätzlicher Natur behaftet, wie der Wald. Es sind durchaus nicht nur positive Dinge, wie Erholung, Ruhe, Rückzug, die einem einfallen, wenn man einmal beginnt über „Wald“ nachzudenken. Nachdenken über so etwas alltägliches, so selbstverständliches wie „Wald“ – das eröffnet plötzlich eine schier unüberschaubare Fülle an Themen oder Erinnerungen, von „Rotkäppchen & der Wolf“ über Schillers „Räuber“, das Waldsterben bis hin zu abstrakteren und höchst emotionalen Begriffen wie „Heimat“. „Der deutsche Wald“ ist quasi synonym für „Heimat“ und auch wenn jeder ganz unterschiedliche Dinge damit verbinden mag, so gibt es doch eine Art grundsätzliches Verständnis dieses höchst vielschichtigen und keineswegs unproblematischen Begriffes. Ähnliches gilt für „die deutsche Eiche“, die ja nicht einfach ein Baum ist, sondern der Baum überhaupt, also ein Mythos.

 

Der Wald ist Ort des Rückzugs und der Erholung und zugleich ein finsterer bedrohlicher Ort, an dem man sich vor dem bösen Wolf oder der Hexe oder gar marodierenden Räuberbanden hüten muss.

Dem Wald haftet etwas solides und zuverlässiges, Standfestes an – umso irritierender die gelegentlichen Zeitungsmeldungen, dass wieder einmal ein ganzes Waldstück gestohlen wurde, wie jüngst im Brandenburgischen.

 

Waldstücke, das ist der Titel dieser Ausstellung. Er ist inspiriert von Thomas Bernhardts Kalkwerk, ist also der Literaturgeschichte entlehnt, denn die Kunstgeschichte kennt das „Waldstück“ merkwürdigerweise trotz der vielen Waldbilder, die die deutschen Wohnstuben schmückten, nicht. Im Gegensatz zum „Seestück“, das ja ein feststehender Begriff für ein maritimes malerisches Sujet ist.

 

Kommen wir zu den Bildern dieser Ausstellung und den Fakten:

 

Wilhelm Beestermöller, 1956 im Emsland geboren, lebt in Berlin, studiert hat er an der Fachhochschule in Münster. Beestermöller ist Maler, Druck-Grafiker, Zeichner und wir sehen hier in der Ausstellung Arbeiten aus seiner Serie von Fotoübermalungen, die dem Motiv Wald gewidmet ist. Die Fotografie spielt in Beestermöllers Werk eine wesentliche Rolle, obwohl er eines mit Sicherheit nicht ist: Fotograf. Er benutzt Fotografien als Formvorgabe, als Komposition, auf die er mit seinen Übermalungen oder Überzeichnungen reagiert. Es sind ursprünglich Farbfotografien, die Beestermöller am Computer in schwarz-weiß-Werte übersetzt hat. Meist sehr kontrastreich mit tiefen satten Schwarzwerten. Auf die Fotografie setzt er dann mit Acryllack in grau oder rosa amorphe, gestaltlose Formen oder übermalt sie ganz oder teilweise mit Acrylfarbe, weiß oder grün-fluoreszierend. (In wenigen Arbeiten sind diese Formen ausschließlich per Photoshop in das Bild gebracht.)

 

Es ist vor allem das grafische Element, das staccato-artige Wiederholen der senkrechten Linie, also des Baumstammes, das die Kompositionen prägt, zum Teil unterstrichen durch eine gemalte Form direkt neben dem Stamm, z. B. links vom Eingang wo eine hermetische rosafarbene Fläche einen Teil des Bildes verdeckt und die Grenze zwischen rosa Lackfläche und Foto genau an einem Baumstamm entlang verläuft.

 

Durch diese Formen, die den Blick auf das Dahinter verbergen, fügt Beestermöller dem so vertraut erscheinenden Abbild des Waldes eine Störung hinzu. Die Übermalungen sind Irritationen, die etwas Geheimnisvolles in das Vertraute bringen. Sie betonen das flächenhafte trotz aller Bildtiefe und zugleich bringen sie durch die Übermalung ein Davor & Dahinter, also Raum ins Bild.

Geheimnisvoll scheinen auch die geisterhaften Formen selbst zu sein, die da durch den Wald wabern. Es scheint als seien diese Formen nur für einen kurzen Moment eingefroren, gleich werden sie sich wie Nebelschwaden weiterbewegen.

Irritierend ist auch die grell-grüne Farbe, die mit dem natürlichen Grün des Waldes so gar nichts zu tun hat, und die die schwarz-weiße Zeichnung der Baumstämme verdeckt, verschleiert, umfängt, wie hier in der Reihe der 16 kleinformatigen Arbeiten als Variationen eines Themas zu verfolgen.

 

Das Erzählerische, Illustrierende, das der Betrachter sieht, ist für Beestermöller letztlich unerheblich, für ihn ist die Fotografie Ausgangspunkt einer malerischen Bildkomposition und der Wald als formale grafische Konstruktion zu betrachten. Allerdings weiß natürlich auch er, dass das niemals so ganz funktioniert wenn er das emotional aufgeladene Motiv Wald wählt, und er spielt mit dieser Ambivalenz.

 

Joseph Stephan Wurmer, ebenfalls 1956 geboren, im Niederbayrischen, lebt und arbeitet in Nürnberg und Fürth. Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildende Künste Nürnberg.

 

Joseph Stephan Wurmer arbeitet fast ausschließlich mit Holz, und er verwendet einheimische Hölzer: hier in der Ausstellung Mistel, Pappel, Zeder, Fichte, Platane und Weide. Auch die deutsche Eiche kommt in seinem Werk als Mooreiche gelegentlich vor, ist hier allerdings nicht dabei.

Entscheidend für den Blick auf die Skulpturen ist, dass sie immer aus einem Stück gearbeitet sind. Da ist nichts gesteckt, geklebt, zusammengesetzt. Wurmer muss die Form also, zumindest ungefähr im Kopf haben, bevor er den ersten Schnitt setzt. Er höhlt das Holz aus, er setzt tiefe Einschnitte, bearbeitet das Volumen der Holzstücke und legt sukzessive eine Form frei.

Auch die seitlich hervorstehenden Teile der Wandarbeit „Aus meinem archäologischen Tagebuch XVI“ sind mit dem ganzen Stück Pappel-Holz verbunden. Wurmer hat sie stehenlassen und so bilden sie in ihrem organischen Wuchern einen Kontrast zur strengen geometrischen Form des Bildkörpers.

 

Dieser Gegensatz von splittrigen, organischen Formen und den geglätteten Oberflächen geometrischer Formen ist auch in anderen Skulpturen zu beobachten: zum Beispiel „Ordnung und Chaos XXV“, der „Turmbau“ an der Ecke. Hier umfasst der glatte geometrische Körper, der durchaus etwas architektonisches hat, das organische, das in Einschnitten sichtbar ist, das die geometrischen Grenzen der Form jedoch nicht überschreitet, ebenso „Aus meinem archäologischen Tagebuch XV“, der 3-teiligen Wandarbeit [im Gegensatz zu „Aus meinem archäologischen Tagebuch XVI“].

 

Nur eine einzige Arbeit in der Ausstellung, sie steht gleich am Eingang, ist farbig, schwarz, gefasst: „Aus dem geheimen Alphabet der Äste III“ und sie steht auch im Gesamtwerk Wurmers als Ausnahme, denn in der Regel bleibt das Holz unbehandelt.

Das Organische des Holzes bleibt bei Wurmer deutlich sichtbar – und riechbar!

 

Im Gegensatz zu Wilhelm Beestermöller, dessen Arbeiten grundsätzlich unbetitelt sind, regt Wurmer mit seinen Titeln eine oft sehr poetische „Lesart“ an: Aus meinem archäologischen Tagebuch, Dialog der Äste, Baumalmanach heißen die Arbeiten.

Oder auch: „Aus dem geheimen Alphabet der Äste“.

Der Würfel am Eingang und die hohe Bodenarbeit im hinteren Teil gehören dazu. Wurmer setzt hier frei erfundene Zeichen ins Holz. Sie erinnern an eine Schrift, deren Bedeutung uns aber verborgen ist: das geheime Alphabet der Äste eben.

 

Die Ausstellung Waldstücke stellt zwei sehr unterschiedliche Positionen gegenüber und eigentlich geht es auch gar nicht um den Wald an sich: Während Beestermöller den Wald als Phänomen in sein Werk einfügt, arbeitet Wurmer unmittelbar mit dem Holz, dem lebendigen Material des Waldes.

Und doch lassen sich zahlreiche Parallelen sehen, zum Beispiel schaut man „Zederntakt“ und den Rhythmus der Stämme in den beiden grünen Querformaten an.

 

„Ordnung und Chaos“, um einen Werktitel Joseph Stephan Wurmers aufzunehmen, könnte man diese Ausstellung auch überschreiben. Denn ebenso wie der Wald auf emotionaler Ebene widersprüchlich ist, ist er, wenn man ihn rein formal betrachtet, linerares Gefüge und wucherndes Gebilde zugleich. Und diese beiden Pole finden sich auch in den hier ausgestellten Arbeiten wieder. Letztlich das Spiegelbild allen Lebens, denn jedem Chaos liegt bekanntlich eine Ordnung zugrunde.

 

 

Kim Behm

 

 

AUSSTELLUNG - Paris - champsecret - 49 Rue de la cour des noves - november 2013

 

Wilhelm Beestermöller schickt uns in einen Irrgarten der Realität. Geheimnistragende Tableaus. Übermalte Fotos, die detektivisches Sehen provozieren. Klares Erkennen wird rigoros unterbunden. Identifikation ausgeschlossen. 

Im Zeitalter des Fotoshoppings, der digital manipulierbaren Bildveränderung, bedient er sich schlichter, reeller malerischer

Mittel, um Personen ihr Gesicht zu nehmen. Er malt es einfach zu, bedeckt es wie mit einem Leichentuch aus Farbe. Als sollte es sie nicht geben, verhüllt er die Gestalten in Anonymität. 

Das irritiert. Das hinterlässt ein frustriertes Suchen nach Anhaltspunkten und bringt die Orientierung ins Wanken. 

Es gibt kein offensichtliches Erkennen. 

Worum geht es hier eigentlich? Was wird hier verborgen? 

Die Menschen, oft ahnungslos auf der Strasse fotografiert, 

werden malerisch ihrer Identität beraubt. In der Masse der Serie verstärkt sich der Eindruck, dass sie auf künstlerische Art und Weise gleichgeschaltet werden und ebenso ausgeschaltet werden. Das Incognito - Individuum wird so nicht nur als einzelner ignoriert, das Individuum geht auch in der Masse unter. 

Das ist die eine Sicht. Die andere Sicht zeigt Respekt. 

Keiner wird hier bloßgestellt, ausgestellt, als voyeuristische Folie benutzt. In der Massengesellschaft hat jeder die Chance

hinter der Maske des Allgemeinen zu verschwinden. Anonymität als Freiheitsoption und Individualität als geschützter

privater Raum. Wilhelm Beestermöllers Kunst markiert Schutzzonen für den einzelnen, die Chance bei sich selbst bleiben zu dürfen. Ein Recht auf Intimität in einer Gesellschaft, die alles glaubt outen und kommunizieren zu müssen. 

Selbst den populären Bildikonen der Renaissance Malerei gibt Beestermöller  auf seine unverkennbare Art der malerischen Verdeckung eine neue Art der Würde der Person. Er beraubt sie ihrer tradierten Bedeutung, ihrer Ämter, ihrer Insignien der Macht. Aber er schenkt ihnen gleichzeitig neue Freiräume, andere Möglichkeiten wie man sie losgelöst von ihrer historischen Last betrachten könnte. 

 

Im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Privatheit und öffentlichem Engagement, entstand zuletzt ein umfangreicher Werkzyklus, der erstmals in Wilhelm Beestermöllers Werk konkreten politischen Bezug zur Gegenwart nimmt. 

Die überwiegend mit tipp-ex übermalten Fotos: Portaits, Landschaften, Kriegsszenen, Industrieanlagen, Demonstrationen, variieren die individuellen Verhüllungsmöglichkeiten auf höchst konfrontative Art: 

Mönchskutte neben Sado-Maso Maske, Burka neben Sturmmaske. 

Die Arbeit zeigt die zwei Seiten in Beestermöllers Werk. Anonymität kann dem einzelnen Freiraum bewahren, gesellschaftlich gesehen sind die  Menschen jedoch aufgefordert Gesicht zu zeigen. 

 

Horst Brandenburg 

Arte TV